* 13. September 1956
von Markus Roth
Essay
Am Anfang von Reudenbachs derzeit gültiger Werkliste stehen mit mirlitonnades pour petite flûte (1991) und Choral für Stimme und fünf Instrumente (Dieter Schlesak, 1991) zwei im gleichen Jahr entstandene Stücke, die auf ganz verschiedene Weise versuchen, literarische Texte in Musik zu »übersetzen«. Dem knapp dreiminütigen Solo für Piccoloflöte, komponiert während des Aufenthalts auf Schloss Solitude in Stuttgart, liegt ein kryptischer Vierzeiler von Samuel Beckett zugrunde (»rêve / sans fin / ni trêve / à rien«), dessen extreme Kürze und Rätselhaftigkeit den Komponisten zu einer Musik inspirierte, in der vokale, doch stimmlose Aktionen und Flötentöne in flüchtig-fragilen pp-Grenzbereichen eine merkwürdige Verbindung eingehen. Reudenbachs instrumentale Lesart des zugrunde liegenden Textes spielt mit der Einfärbung, der klanglichen Umhüllung seiner Phoneme; anstelle des »rien« steht eine berückende, sich im höchsten Register der Piccoloflöte verlierende whistle tone-Passage. Aus Reudenbachs Umgang mit Becketts Vierzeiler spricht eine fast ehrfürchtige Scheu; die Entgrenzung des Flötenklangs ins Unbestimmte erscheint als einzige Möglichkeit, ihm überhaupt auf angemessene Weise zu begegnen.
Im Choral für Stimme und fünf Instrumente nach einem Gedicht von Dieter Schlesak (1991) deuten sich weitere zentrale Themen an, die Reudenbachs kompositorische Entwicklung (mit unterschiedlichen Akzentsetzungen) fortan begleiten werden: das ...